Gestaltungsinstrument erste Tätigkeitsstätte

Nettolohnoptimierung durch Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte

Seit der Änderung des Reisekostenrechts ab 2014 wurde der Begriff der sog. ersten Tätigkeitsstätte eingeführt.

Durch die Regelung in § 9 Abs. 4 EStG besteht die Möglichkeit, die sog. erste Tätigkeitsstätte in einem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber zu bestimmen.

Durch die bewusste Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte ergeben sich interessante Gestaltungsmöglichkeiten, die einen Einfluss auf die Höhe der Verpflegungsmehraufwendungen Ihrer Mitarbeiter aber auch auf die pauschale Berechnung des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bei der Dienstwagengestellung nehmen.

Erste Tätigkeitsstätte

Die erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Zuordnungsentscheidung

Nun kommt die wichtige Erkenntnis:

Das Gesetz sieht vor, das die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer ersten Tätigkeitsstätte durch eine Anweisung des Arbeitgebers bestimmt wird. Das heißt, der Arbeitgeber kann für jeden Mitarbeiter dessen erste Tätigkeitsstätte bestimmen.

Sofern keine konkrete Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte erfolgt, ist von einer dauerhaften Zuordnung auszugehen, wenn ein Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.

Fehlt eine Zuordnung durch den Arbeitgeber oder ist keine eindeutige Zuordnung möglich, ist die erste Tätigkeitsstätte dort, wo der Arbeitnehmer dauerhaft

  • Typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
  • Je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte kann in bestimmten Szenarien zu enormen steuerlichen Auswirkungen führen.

Gestaltungsbeispiele

Nachfolgend zeigen wir Ihnen einige Beispiele, anhand derer die enormen Auswirkungen einer Zuordnungsentscheidung verdeutlicht wird:

Beispiel 1: Optimierung von Verpflegungsmehraufwendungen

Das Unternehmen des Arbeitgebers hat mehrere Standorte. Ein Mitarbeiter ist jede Woche regelmäßig an 3 Tagen am Standort A und an 2 Tagen am Standort B tätig. Der Mitarbeiter fährt jeden Tag den jeweiligen Standort (Entfernung jeweils 15 km, 220 Arbeitstage pro Jahr) direkt von seiner Wohnung an und die tägliche regelmäßige Anwesenheit des Mitarbeiters beträgt mehr als acht Stunden.

Bei einer bewussten Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte des Mitarbeiters kommen nun zwei Möglichkeiten in Betracht:

  1. Zuordnung zum Standort A
  2. Zuordnung zum Standort B

Auswirkung bei a):

Fahrtkosten

Die wöchentlich 3 Fahrten des Mitarbeiters zu Standort A können als Entfernungspauschale (einfache Fahrt) geltend gemacht werden.

Die wöchentlich 2 Fahrten des Mitarbeiters zum Standort B hingegen können als Reisekosten ohne weitere Nachweise pro gefahrenem km (Hin- und Rückfahrt) pauschal geltend gemacht werden.

Verpflegungsmehraufwendungen

Der Mitarbeiter kann für die Tätigkeit am Standort B sog. Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen, da er arbeitstäglich länger als 8 Stunden von seiner Wohnung bzw. seiner ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Da die Tätigkeit an dem Standort B nur an zwei Arbeitstagen pro Woche aufgesucht wird, gilt keine Begrenzung auf die ersten drei Monate der Tätigkeit. Der Mitarbeiter kann somit für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses arbeitstäglich Verpflegungsmehraufwand geltend machen.

Ermittlung der vom Mitarbeiter abzugsfähigen Werbungskosten:

Fahrten Wohnung – Standort A (132 Tage x 15 km x 0,30 EUR) = 594,00 EUR

Fahrten Wohnung – Standort B (88 Tage x 30 km x 0,30 EUR ) = 792,00 EUR

Verpflegungsmehraufwand (88 Tage x 12 EUR) = 1.056,00 EUR

Werbungskosten gesamt: 2.442,00 EUR

Auswirkungen bei b):

Fahrtkosten

Die wöchentlich 2 Fahrten des Mitarbeiters zu Standort A können als Entfernungspauschale (einfache Fahrt) geltend gemacht werden.

Die wöchentlich 3 Fahrten des Mitarbeiters zum Standort B hingegen können als Reisekosten ohne weitere Nachweise pro gefahrenem km (Hin- und Rückfahrt) pauschal geltend gemacht werden.

Verpflegungsmehraufwendungen

Der Mitarbeiter kann für die Tätigkeit am Standort A sog. Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen, da er arbeitstäglich länger als 8 Stunden von seiner Wohnung bzw. seiner ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Da die Tätigkeit an dem Standort A jedoch nun an 3 Arbeitstagen pro Woche aufgesucht wird, ist die sog. Drei-Monats-Grenze zu beachten. Demnach kann der Mitarbeiter nur für die ersten 3 Monate Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen.

Ermittlung der vom Mitarbeiter abzugsfähigen Werbungskosten:

Fahrten Wohnung – Standort A (88 Tage x 15 km x 0,30 EUR) = 396,00 EUR

Fahrten Wohnung – Standort B (132 Tage x 30 km x 0,30 EUR ) =1.188,00 EUR

Verpflegungsmehraufwand (12 Wochen x 2 Tage x 12 EUR) = 288,00 EUR

Werbungskosten gesamt: 1.872,00 EUR

Beispiel 2: Dienstwagenüberlassung

Ein Unternehmen hat zwei Standorte. Der Mitarbeiter ist arbeitstäglich am Standort A (Entfernung W-A: 30 km) eingesetzt. Darüber hinaus fährt er monatlich an 2 Tage pro Monat an den Standort B (Entfernung W-A: 10 km). Der Mitarbeiter erhält einen Dienstwagen (Bruttolistenpreis EUR 40.000), den er auch für Privatfahrten und somit auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nutzen kann. Ein Fahrtenbuch führt der Mitarbeiter nicht.

Bei einer bewussten Zuordnung der ersten Tätigkeitsstätte des Mitarbeiters kommen nun zwei Möglichkeiten in Betracht:

  1. Zuordnung zum Standort A
  2. Zuordnung zum Standort B

Auswirkungen bei a)

Die Dienstwagenüberlassung an den Mitarbeiter führt zu einem geldwerten Vorteil. Die mögliche Privatnutzung führt zur Anwendung der 1-%-Regelung. Für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ist noch ein geldwerter Vorteil nach der 0,03 %-Methode anzusetzen.

Der jährlich anzusetzende geldwerte Vorteil ermittelt sich wie folgt:

Privatnutzung (1-%-Regelung): 40.000 EUR x 1 % x 12 Monate = 4.800,00 EUR

Fahrten Standort A: 40.000 km x 0,03 % x 30 km x 12 Monate = 4.320,00 EUR

Auswirkungen bei b)

Durch die bewusste Zuordnung zu Standort B ergibt sich folgende Auswirkung auf die Ermittlung des geldwerten Vorteils:

Privatnutzung (1-%-Regelung): 40.000 EUR x 1 % x 12 Monate = 4.800,00 EUR

Fahrten Standort A: 40.000 km x 0,03 % x 10 km x 12 Monate = 1.140,00 EUR

Da der Mitarbeiter die bewusst zugeordnete Tätigkeitsstätte am Standort B nur 2 mal pro Monat aufsucht, kann die pauschale Bewertung nach der 0,03-%-Methode auch mittels einer Einzelbewertung mit 0,002 % pro Tag abgewendet werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Standort B monatlich höchstens 15 mal aufgesucht wird

Somit ermittelt sich der geldwerte Vorteil wie folgt:

Privatnutzung (1-%-Regelung): 40.000 EUR x 1 % x 12 Monate = 4.800,00 EUR

Fahrten Standort A: 40.000 km x 0,002 % x 10 km x 2 Fahrten x 12 Monate = 192,00 EUR

Fazit

Wie die Beispiele zeigen, lohnt es sich durchaus über eine bewusste Wahl der ersten Tätigkeitsstätte nachzudenken. Und oftmals ist die erste naheliegende Gestaltung auch nicht unbedingt die steuerliche optimalste.

Gerne stehen wir Ihnen bei konkreten Fragen beratend zur Verfügung!

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